Das Projekt „Lebensraum Künstlerdorf – Von der Natur lernen“ gibt Einblicke in Einzelmaßnahmen des aktuellen Transformationsprozesses der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen und eröffnet Ausblicke auf den Ort, in seinem Selbstverständnis als lernende und agile Einrichtung.
Als „kollektiven Akteur einer sozial-ökologischen Transformation im Kulturbetrieb“ (1) versteht sich das Künstlerdorf nicht als Solitär, sondern als Teil eines „Ökosystems“, (…) „also eines Systems von Naturkräften, die sich, wenn im Gleichgewicht, nachhaltig und selbstständig regenerieren“ (2) und welches demnach stetig im Wandel begriffen ist.
Die Frage welche Naturkräfte, Interessensgruppen oder KooperationspartnerInnen als Teil dieses Systems definiert werden und damit Einfluss üben, hat eine wesentliche Bedeutung für alle Aspekte des Künstlerdorfs, seiner Verwaltung, seinem Profil, seiner Programmgestaltung, seiner Resilienz und letztlich auch seiner Relevanz.
Seit Januar 2021 befindet sich das Künstlerdorf in einem umfangreichen Prozess der Neuausrichtung. Ziel ist es, das Profil und die Funktionsweisen des Künstlerdorfes neu zu definieren, Potentiale optimal zu nutzen und sowie Strukturen und Wege zu finden, um den damit verbundenen Aufgaben in zeitgemäßer und zukunftsorientierter Form nachzukommen. Dabei werden Innen- und Außenraum zusammengedacht und Aspekte von nachhaltigeren und gerechteren Kreisläufen einbezogen. Während des diesjährigen Projektes wurde ein gemeinschaftlicher Nutzgarten angelegt, ein Zusammenhang zur Programmgestaltung hergestellt und ein Leitfaden entwickelt, der Fragen zur Mobilität, zum Umgang mit Ressourcen und den, im Künstlerdorf angesiedelten, temporären Gemeinschaften, regelt.
Das Projekt fand in Kooperation mit der Sekundarschule Horstmar Schöppingen und dem Zentrum für interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (ZIN) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster statt. Es wurde gefördert durch das Regionale Kultur Programm des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft NRW, das Kultursekretariat Gütersloh sowie dem Förderverein der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen.
(1) Kreß, Jakob (2022), in: Das ‚Künstlerdorf Schöppingen‘ als Reallabor: Erkundung einer sozial-ökologischen Transformation im Kulturbetrieb, BA-Arbeit, WWU Münster, vorgelegt am 31.8.2022, S. 40.
(2) Burckhardt, Lucius (2021), in: Warum ist Landschaft schön? Die Spaziergangswissenschaft. 5. Auflage. Hg. v. Markus Ritter und Martin Schmitz. Berlin: Martin Schmitz Verlag. S. 31.
Der Garten
Der Künstler Yoeri Guépin, der mit Gärten als künstlerischem und sozialem Medium arbeitet, wurde dazu eingeladen, in das Ökosystem des Künstlerdorfs einzugreifen.
„Indem ich Verbindungen zwischen aktuellen und vergangenen Funktionen des Künstlerdorfs herstelle, möchte ich neuartige Ökosysteme initiieren, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der künstlerischen Infrastruktur funktionieren. Gärten sind dazu in der Lage, Gemeinschaften um Pflanzenarten herum zu bilden. Daraus ergeben sich nachhaltige Strukturen der Fürsorge, die unsere Co-Abhängigkeiten mit anderen Organismen aufzeigen und (Ver-)Lernen ermöglichen.“
Von Januar bis Juni 2021 stellte Guépin Beobachtungen zum Gelände, der Struktur und dem Umfeld des Künstlerdorfes an und entwickelte gemeinsam mit dem Team, den StipendiatInnen und anderen AkteurInnen einen Nutzgarten. Dabei folgte er der Idee eines volkstümlichen Gartens, der Beziehung zwischen Pflanzen und Menschen in einem größeren ökosystemischen Rahmen reflektiert.
Yoeri Guépin ist ein bildender Künstler, Forscher und Gärtner, der mit Gemeinschaften, Ökosystemen und Film arbeitet. Seine Erfahrung, auf einem biodynamischen Bauernhof aufgewachsen zu sein und von klein auf seinen Eltern auf den Feldern zu helfen, hat zusammen mit seinem Interesse an Kulturgeschichten und Ökosystemen zu einer Reihe von ökologischen Projekten geführt. Diese Projekte finden oft ihre Form in Gärten, die als Gefäß und Zugang zu marginalen (Hoch-)Geschichten und nicht-westlichen Epistemologien dienen. Guépin hat einen BA von der Hogeschool voor de Kunsten Utrecht und einen MA vom Niederländischen Kunstinstitut in Arnheim. Zurzeit laufen (Garten-)Projekte am Piet Zwart Institute Rotterdam, der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen und iii Workspace Den Haag. Seine Filme wurden im Tent Rotterdam (2019), Guangdong Times Museum in Guangzhou (2021) und Kadist San Francisco (2022) ausgestellt.
„Soften the borders“
Der knapp 20 minütige Film „Soften the borders“ wurde gemeinsam geplant und umgesetzt, wobei die einzelnen SchülerInnen Aufgaben wie Kamera, Ton, Interviews oder Übersetzung übernahmen.
Im Rahmen ihrer Naturwissenschafts- und Kunstkurse und unter Begleitung ihres Lehrers Christian Nückel beteiligten sich auch 25 SchülerInnen des siebten Jahrgangs der Sekundarschule Hörstmar Schöppingen am Projekt. In den drei Gruppen Garten, Social-Media und Film waren sie aktiv in die Prozesse eingebunden und dokumentierten diese. Dabei wurden sie unterstützt vom Kunstpädagogen Martin Domagala.
Als Abschluss des Projektes gestalteten die SchülerInnen gemeinsam mit dem Team und StipendiatInnen des Künstlerdorfes ein Kulturpicknick. In kleinen Körben stellen die BesucherInnen sich ihr Picknick selbst zusammen; Selbstgepflücktes aus dem neuen Nutzgarten konnten sie in von den SchülerInnen gestalteten Tüten mit nach Hause nehmen. Ergänzt wurde die Veranstaltung durch künstlerische Beiträge von Gina Dargan, die einen Workshop für Webarbeiten mit Naturmaterialien anbot und Neïtah Janzing, die dazu einlud, Postkarten aus dem Münsterland an Unbekannte zu schicken.
Groups as Gardens (1)
In Kooperation mit dem Zentrum für interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (ZIN) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster beobachtete Dr. Cornelia Steinhäuser im Zeitraum März bis August 2022 den Transformationsprozess im Künstlerdorf. Sie erstellte einen Bericht, der eine Bestandsanalyse sowie eine Darstellung zu Potentialen, Herausforderungen und Risiken aus ökologischer und sozialwissenschaftlicher Perspektive umfasst und der im Folgenden in gekürzter Fassung nachzulesen ist.
Im Rahmen des Seminars “Agroökologie – Permakultur – Tiefe Ökologie” und in Begleitung von Prof. Dr. Tillmann Buttschardt und Dr. Cornelia Steinhäuser sowie den Künstler Yoeri Guépin und die Autorin Vera Vorneweg fand ein Treffen von Studierenden und StipendiatInnen im Künstlerdorf statt. Im Zentrum der Veranstaltung stand der Austausch zu Mensch-Natur-Beziehungen. Zudem sollte der Garten des Künstlerdorfs als Sinnbild und Motiv das Seminar weiterhin begleiten. Dazu wurde zunächst der Text „Groups as Gardens“ gelesen und diskutiert. Im Gewächshaus des Künstlerdorfs wurde anschließend ein Hochbeet angelegt und bepflanzt.
Die Zusammenarbeit mit der WWU Münster soll im Kontext eines integrativen Denkens von Wissenschaft und Kunst fortgesetzt werden.
(1) Macnamara, Looby (2012): People & permaculture. Caring and designing for ourselves, each other and the planet. Unter Mitarbeit von Rebecca Storch. East Meon, Hampshire: Permanent Publ.